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Aus dem Schreiben zur Firmenanmeldung wird deutlich, dass schrittweise mit der Fertigung neuer Artikel begonnen werden soll. Drei Produktgruppen sind genannt: Das ist zum einen Baumaterial für den Hausbau wie Hohlblocksteine, Platten und Leichtbauplatten, Balken und Sparren sowie Treppenstufen. Weiterhin sollen Erzeugnisse für den Tiefbau hergestellt werden. Dazu gehören Pfosten, Bürgersteigplatten, Bordsteine, Rohre und Kabelformstücke, Rammpfähle sowie Schachtabdeckungen, Straßenabläufe, Sinkkästen und Klärgruben. Schließlich ist geplant, auch „Nichtbaustoffe“ herzustellen, womit Produkte für den Innenausbau gemeint sind, wie Betonkesselöfenmäntel und insbesondere Terrazzowaren wie Spültische und Waschanlagen. | Aus dem Schreiben zur Firmenanmeldung wird deutlich, dass schrittweise mit der Fertigung neuer Artikel begonnen werden soll. Drei Produktgruppen sind genannt: Das ist zum einen Baumaterial für den Hausbau wie Hohlblocksteine, Platten und Leichtbauplatten, Balken und Sparren sowie Treppenstufen. Weiterhin sollen Erzeugnisse für den Tiefbau hergestellt werden. Dazu gehören Pfosten, Bürgersteigplatten, Bordsteine, Rohre und Kabelformstücke, Rammpfähle sowie Schachtabdeckungen, Straßenabläufe, Sinkkästen und Klärgruben. Schließlich ist geplant, auch „Nichtbaustoffe“ herzustellen, womit Produkte für den Innenausbau gemeint sind, wie Betonkesselöfenmäntel und insbesondere Terrazzowaren wie Spültische und Waschanlagen. | ||
[[Datei:1944KielHoltenauerStrasse.png| | [[Datei:1944KielHoltenauerStrasse.png|400px|thumb|right|Das zerbombte Kiel im September 1944. Der Blick auf die Holtenauer Straße zeigt das Ausmass der Zerstörung.]] | ||
Die Artikel der ersten und zweiten Produktgruppe stehen, so erläutert Severin Ahlmann, im Vordergrund, da sie „für den Wiederaufbau der zerstörten Städte besonders wichtig“ sind. In Kiel zum Beispiel waren 35 Prozent aller Gebäude zerstört, 40 Prozent waren beschädigt. | Die Artikel der ersten und zweiten Produktgruppe stehen, so erläutert Severin Ahlmann, im Vordergrund, da sie „für den Wiederaufbau der zerstörten Städte besonders wichtig“ sind. In Kiel zum Beispiel waren 35 Prozent aller Gebäude zerstört, 40 Prozent waren beschädigt. |
Version vom 17. Mai 2021, 14:56 Uhr
Das ACO-Geschichts-Wiki zum 75-jährigen Jubiläum
Willkommen im ACO-Geschichts-Wiki, das im Jubiläumsjahr von ACO gestartet wird!
Das Wiki enthält spannende Geschichten rund um ACO. Gründungsgeschichte und erste Jahre, Standorte und Tochtergesellschaften, Produkte und Dienstleistungen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Kunden und Zulieferer, das Arbeitsleben und die Unternehmerfamilie Ahlmann – das sind alles Themen, die im Wandel der Zeiten bildreich dargestellt werden. Interessante Zusammenhänge werden deutlich, Einsichten möglich und auch Amüsantes und Wissenswertes berichtet. Hier erfahren Sie alles darüber, wie aus kleinen regionalen Anfängen im schleswig-holsteinischen Büdelsdorf schrittweise der global agierende Weltmarktführer im Bereich Entwässerungstechnik entstand.
Das Wiki ist ein lebendiges Projekt, das immer weiter ausgebaut wird. Bis zum 75-jährigen Gründungsjubiläum im Dezember 2021 soll die Historie des Unternehmens in weiten Teilen erforscht und dokumentiert sein.
Hierzu können Sie gern auch etwas beitragen. Haben Sie Bilder oder Dokumente zur ACO-Geschichte? Fallen Ihnen Storys ein, die „typisch ACO“ sind? Wir freuen uns auf Ihre Beiträge. Kontaktieren Sie uns unter: info@history.aco ! (Stand Mai 2021)
Die Geschichte von ACO
ACO – Gründung und erste Jahre 1946 bis 1949
ACOs Mutter: die Carlshütte
ACO ist eine Ausgründung aus der traditionsreichen, ehrwürdigen Carlshütte, die 1827 – also vor fast 200 Jahren – im schleswig-holsteinischen Büdelsdorf bei Rendsburg errichtet wird. Die Carlshütte ist das erste Industrieunternehmen auf der jütischen Halbinsel überhaupt, und vor allem: das erste Eisenwerk im dänischen Gesamtstaat. Gründer ist der Kaufmann Markus Hartwig Holler. Er führt in Rendsburg eine florierende Holzhandlung, möchte aber in Büdelsdorf ein Eisengusswerk errichten.
Holler ist ganz auf der Höhe der Zeit. Er hat die Bedeutung des Werkstoffes Eisen für das Jahrhundert erkannt. In einer Eingabe an den dänischen König Friedrich VI. führt er bedeutungsvoll aus:
„Das Wort Eisen ist es, was alles erklärt“.
Er schreibt weiter: Eisen sei „gleich nützlich, ja unentbehrlich, dem Staate und der Landesverteidigung wie dem Haushalte, dem Landmann, den Gewerben, den Bauten und Fabriken“. Nach einem Besuch des dänischen Königs Friedrich VI. im Juni 1829 war der König von Hollers Werk so beeindruckt, dass er auf seiner Rückreise Weisung erteilt, Holler zum Ritter des Dannebrogordens zu ernennen. Auf dem Bild rechts sieht man an Hollers Brust den Dannebrogorden, der als Verdienstorden an treue Diener des dänischen Staates für zivile und militärische Dienste, für besondere Verdienste in der Kunst, den Wissenschaften oder dem Wirtschaftsleben bis heute verliehen wird.
Der Statthalter des dänischen Königs in den Herzogtümern Schleswig und Holstein Carl von Hessen unterstützt die Unternehmung von Anfang an. Zum Dank benennt Holler die Eisenhütte nach ihm „Carlshütte“. Der zur Gründungszeit bereits über 80-jährige Landgraf stammt mütterlicherseits vom englischen Königshaus Hannover ab und ist Schwiegervater des dänischen Königs Friedrich VI. Carl von Hessen ist Urururgroßvater des jüngst verstorbenen Prince Philip, Duke of Edinburgh, Prinzgemahl der britischen Königin Elisabeth II. Dieser verleiht 2006 ACO den "The Queen's Award for Enterprise". So schließt sich gleichsam der Kreis.
Carl ist von den Ideen der Aufklärung beeinflusst. Ihn interessieren Kultur und Wissenschaften. Er befasst sich mit Metallkunde und Metallguss. Ein besonderes Faible hat er für die Alchemie. So bemüht er sich bis an sein Lebensende um die Gewinnung von Gold aus der Legierung unedler Metalle. Diese Leidenschaft könnte auch ein Motiv für die Unterstützung der Carlshütte gewesen sein. Davon unabhängig gilt Carl von Hessen jedoch als eifriger Förderer der Wirtschaft und neuer Industrieunternehmungen.
Der zweite Gönner und Protektor der Carlshütte ist der dänische König Friedrich VI. Wie sein Statthalter, Carl von Hessen, ist er den Wissenschaften und der Wirtschaft zugetan. Er lässt sich schnell von Markus Hartwig Holler von dessen Ideen überzeugen. Bei einer Audienz in Rendsburg kann Holler die Pläne für die Hüttengründung persönlich vorstellen. Der König besichtigt sogar die Hüttenbaustelle.
In den kommenden zehn Jahren besucht Friedrich VI. die Carlshütte immer wieder. So schon 1829, als Holler vom ersten Anstich des Schmelzofens berichten kann. 1831 besichtigt Friedrich VI. den begonnenen Hochofenbau, 1835 ist er wieder in Rendsburg. Der fünfte und letzte Besuch des Königs findet 1839 statt: Auf der Carlshütte herrscht Hochbetrieb und Holler kann dem König eine Dampfmaschine präsentieren, die hier gebaut wurde. Der Gründer vergisst nicht, dass der wirtschaftliche Aufschwung nicht zuletzt einigen Privilegien zu verdanken ist, die der Monarch gewährt. Das sind u.a. die zollfreie Einfuhr von Rohstoffen, die zollfreie Ausfuhr der Eisenwaren sowie Schutzzölle gegen ausländisches Produkte.
Der Hochofen arbeitet allerdings nur wenige Jahre. Die Herstellung von Eisen aus Raseneisenerz, das in Schleswig-Holstein in gut verwertbaren Mengen vorkommt, erweist sich als unrentabel, sodass die Verhüttung aufgegeben und auf ausschließlichen Gießereibetrieb umgestellt wird.
In der Carlshütte werden gusseiserne Geräte und Gegenstände für Haushalt, Straßenbau, Landwirtschaft und Schiffbau hergestellt. Faszinierend, dass die Carlshütte Produkte im Programm hat, die ACO heute auch herstellt, allerdings mit anderen Materialien. Das sind Fensterrahmen, Krippen und Tröge sowie Stalleinrichtungen, auch Kanal- und Schachtabdeckungen, Benzinabscheider, Rinnen mit Abdeckrosten, schließlich Sanitärartikel wie Badewannen und gusseiserne Wasser-Klosetts.
Die Familie Ahlmann auf der Carlshütte
Für die Entwicklung der Carlshütte und für die Gründung von ACO wird die Familie Ahlmann eine zentrale Rolle spielen. Die deutsch-dänische Kaufmanns- und Unternehmerfamilie Ahlmann ist seit dem 16. Jahrhundert in Dänemark und in den Herzogtümern Schleswig und Holstein ansässig. Eine erste Verbindung zur Carlshütte stellt Thomas Jörgen Ahlmann, der Ururgroßvater von Hans-Julius Ahlmann, 1840 her. Er kommt mit Holler ins Geschäft und baut im dänischen Fredericia ein Kommissionslager für die Waren der Carlshütte auf. Von hier aus werden die Carlshütten-Produkte in die skandinavischen Länder vertrieben. Damals gibt es keine Vertreter, vielmehr Großhändler, die vertrauensvolle Partner sind.
Thomas Jörgen Ahlmann gründet 1842 zudem die Brennerei & Brauerei „Ahlmann & Co“. Dieser Firmenname, vor allem das daraus abgeleitete Kürzel „ACO“, wird mehr als hundert Jahre später von besonderer Bedeutung werden.
Thomas‘ zweitältester Sohn Johannes Ahlmann übernimmt gemeinsam mit seinem Schwager Dethlef Ohlsen das Geschäft des Vaters, das ab 1878 als „Ohlsen & Ahlmann“ firmiert. Im Folgejahr verlegen die beiden Kaufleute das Kommissionslager der Carlshütte nach Kopenhagen. Hartwig Peter Holler – der Sohn des Carlshütten-Gründers – ist von den Johannes Ahlmanns Fähigkeiten so überzeugt, dass er ihm den Posten des kaufmännischen Direktors in der Carlshütte anbietet, den dieser 1883 annimmt. Die Carlshütte ist zu diesem Zeitpunkt eine Aktiengesellschaft. Johannes Ahlmann modernisiert in den kommenden Jahrzehnten den Betrieb, erweitert ihn und führt neue Produkte ein, vor allem emaillierte Badewannen, mit denen die Carlshütte weltbekannt wird. Im Jahr 1900 sind über 1.000 Arbeiter in dem Unternehmen beschäftigt. Die Kopenhagener Unternehmung wird später an das große dänische Handelsunternehmen Brødrene Dahl verkauft.
1907 tritt Johannes Ahlmanns Sohn Julius in die Carlshütte ein. Julius folgt dem Vater 1919 als kaufmännischer Direktor nach und setzt den erfolgreichen Modernisierungskurs fort. Er stirbt jedoch schon 1931 an einer schweren Erkrankung. Seine Witwe Käte Ahlmann ist entschlossen, das Erbe des Unternehmens für die nachfolgende Generation zu erhalten. Im Jahr 1937 gelingt es ihr, die gesamten Aktien für die Familie zu erwerben und die Aktiengesellschaft in eine KG umzuwandeln. Käte Ahlmann übernimmt die Leitung der Carlshütte, die fortan ein Familienunternehmen ist. Im gleichen Jahr werden erstmals Teile aus Asbestzement hergestellt. Hieraus entsteht eine Beton-Sparte.
Die Anfänge der Beton-Abteilung – Einsatz von Ersatzstoffen für Eisen
Ersatz von Gusseisenfüßen für Badewannen auf der Carlshütte
Die ab Mitte der 1930er Jahre forcierte Umstellung der deutschen Wirtschaft auf Kriegsproduktion führt in der Stahl- und Eisenindustrie zu Herstellungsbeschränkungen. Metalle sollen im zivilen Sektor eingespart werden, damit sie für die Rüstung verwendet werden können. Zentral ist der Vierjahresplan 1936, mit dem binnen vier Jahren die wirtschaftliche und militärische Kriegsfähigkeit des Deutschen Reichs erreicht werden soll. Im Rahmen des Vierjahresplanes verpflichtet sich die Badewannenindustrie, Modelle mit einem besonders hohen Eisenverbrauch nicht mehr herzustellen. Den Werken wird vorgegeben, ab April 1937 keine Gusseisenfüße bei Einbauwannen zu verwenden. In nur wenigen Monaten findet die Carlshütte Ersatz: Badewannenfüße und Sockel werden vorerst aus Steinzeug verbaut und im Laufe des Jahres auch aus Beton.
Weitere Einsparungen von Eisen
Am 15. August 1937 wird von der Überwachungsstelle für Eisen- und Stahl eine Herstellungsbeschränkung von 30 Prozent gegenüber der Fabrikation vom 1. Juli 1935 bis zum 30. Juni 1936 im Bereich des gesamten Sanitäts- und Kanalgusses angeordnet. Das betrifft die Carlshütte in vollem Umfang. Zunächst kann man auf Lagerbestände zurückgreifen. So verzeichnet die Carlshütte von August bis Dezember 1937 nur einen Rückgang von 17,5 Prozent im Absatz von Gießereiprodukten. Für gusseiserne Unterlegplatten von Dauerbrandöfen werden als Austauschstoff Asbestzementplatten eingesetzt, die dann auch für die Rückwände und Böden von Kohlen- und Gasherden verbaut werden. Mit den Asbestzementplatten werden Eiseneinsparungen von 20 kg pro Herd erreicht. Im Jahresbericht der Carlshütte von 1937 werden die Folgen der Herstellungsbeschränkungen und -verbote beschrieben: „Die Verkaufspolitik während 1937 war deshalb im Wesentlichen durch die Frage der Rohstoffbeschaffung und Verwendung bzw. Schaffung richtiger Austauschstoffe bestimmt.“
Guss-Terrazzo für die Waschbrunnen, Schamotte und Keramik für Öfen
1938 treibt die Carlshütte die Verwendung von Austauschrohstoffen weiter voran. Terrazzo – eine Mischung aus farblich ausgewählten Zuschlagstoffen, Wasser, Kalk und Zement – wird als Guss-Terrazzo für die zuvor aus Gusseisen hergestellten Waschbrunnen der Carlshütte verwendet.
Bei den Öfen werden zur Eisenersparnis Schamotte-Zugwände an Stelle der gusseisernen Wände verbaut. Weitere Einsparungen werden durch die Verwendung von Keramik-Aschenschalen erreicht. Neu im Programm der Carlshütte sind Beton-Kesselöfen, die ab März 1938 ausgeliefert werden.
Mit der notgedrungenen Verwendung der neuen Materialien, die für eine Eisengießerei nicht charakteristisch sind, entsteht auf der Carlshütte eine Beton-Abteilung, aus der nach dem Krieg die Severin Ahlmann-Betonindustrie (SAB), die spätere ACO Severin Ahlmann, gegründet wird.
Josef-Severin Ahlmann – verantwortlich für die Betonabteilung der Carlshütte
1939 beginnt der Zweite Weltkrieg. Käte Ahlmanns Söhne Hans-Julius und Josef-Severin werden zum Militärdienst eingezogen. Das Werk übersteht den Krieg weitgehend unbeschadet. Im Mai 1945 kehrt Käte Ahlmanns zweitgeborener Sohn Josef-Severin aus dem Krieg zurück. Schleswig-Holstein, also auch Büdelsdorf, gehören zur britischen Besatzungszone.
1939 beginnt der Zweite Weltkrieg. Käte Ahlmanns Söhne Hans-Julius und Josef-Severin werden zum Militärdienst eingezogen. Das Werk übersteht den Krieg weitgehend unbeschadet. Im Mai 1945 kehrt Käte Ahlmanns zweitgeborener Sohn Josef-Severin aus dem Krieg zurück. Schleswig-Holstein, also auch Büdelsdorf, gehören zur britischen Besatzungszone.
Das Familienunternehmen Carlshütte ist von der Militärregierung mit Produktionsbeschränkungen belegt. Jedoch ist ihr erlaubt, Betonteile für zivile Zwecke herzustellen. Es handelt sich um „einfache Bauplatten“, landwirtschaftliche Futtertröge und Zementdachsteine.
Josef-Severin übernimmt im Auftrag seiner Mutter sogleich Leitungsaufgaben im Unternehmen. So kümmert er sich um die Betonfertigung der Carlshütte. Er wird im Alter von 22 Jahren gleichsam Abteilungsleiter der Carlshütten-Betonsparte.
Severins Bruder Hans-Julius kehrt Anfang 1946 ebenfalls aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Er hat bereits seit einigen Jahren Prokura und ist von seiner Mutter als Nachfolger in der Leitung der Carlshütte vorgesehen.
Gründung von Severin Ahlmann-Betonindustrie (SAB), später ACO
Im Laufe des Jahre 1946 entscheiden Käte, Hans-Julius und Severin Ahlmann, die Beton-Abteilung als eigenständiges Unternehmen aus der Carlshütte auszugründen. Hintergrund sind Befürchtungen, dass die Carlshütte von den Alliierten demontiert wird. Am 1. Oktober 1946 teilt die britische Militärregierung der Geschäftsleitung der Carlshütte mit, dass das Werk im Rahmen der Reparationsforderungen für die Demontage vorgesehen ist.
Konkreter Anlass für den Zeitpunkt der Gründung noch vor Jahresende sind die Ergebnisse der Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein am 13. Oktober 1946, bei denen die SPD 41,1 Prozent der Stimmen erhält. Es ist zu vermuten, dass die Sozialdemokraten auch bei den für das Folgejahr anberaumten Landtagswahlen die Mehrheit erreichen werden. Die Gefahr besteht, dass sie Enteignungspläne umsetzen. Sozialdemokraten und Gewerkschaften propagieren eine Enteignung von Schlüsselindustrien bzw. von Unternehmen, die in die Rüstungswirtschaft im Zweiten Weltkrieg involviert waren, wozu auch die Carlshütte gerechnet wird. Käte Ahlmann schreibt am 13. Dezember in einem Brief: "Wir hielten dies Maßnahme (gemeint ist die Firmenanmeldung) im alten Jahr doch noch für richtig, da man nie weiss, welche neuen Verbote mit Ablauf dieses Jahres kommen werden."
Um wenigstens einen Unternehmensbereich für die Familie zu sichern, meldet Josef-Severin Ahlmann am 10. Dezember 1946 bei der IHK Kiel die Firma „Severin Ahlmann-Betonindustrie“ an. Aus der SAB, wie man den Firmennamen abkürzt, wird später die ACO.
Das Programm der Severin Ahlmann-Betonindustrie (SAB, später ACO)
Aus dem Schreiben zur Firmenanmeldung wird deutlich, dass schrittweise mit der Fertigung neuer Artikel begonnen werden soll. Drei Produktgruppen sind genannt: Das ist zum einen Baumaterial für den Hausbau wie Hohlblocksteine, Platten und Leichtbauplatten, Balken und Sparren sowie Treppenstufen. Weiterhin sollen Erzeugnisse für den Tiefbau hergestellt werden. Dazu gehören Pfosten, Bürgersteigplatten, Bordsteine, Rohre und Kabelformstücke, Rammpfähle sowie Schachtabdeckungen, Straßenabläufe, Sinkkästen und Klärgruben. Schließlich ist geplant, auch „Nichtbaustoffe“ herzustellen, womit Produkte für den Innenausbau gemeint sind, wie Betonkesselöfenmäntel und insbesondere Terrazzowaren wie Spültische und Waschanlagen.
Die Artikel der ersten und zweiten Produktgruppe stehen, so erläutert Severin Ahlmann, im Vordergrund, da sie „für den Wiederaufbau der zerstörten Städte besonders wichtig“ sind. In Kiel zum Beispiel waren 35 Prozent aller Gebäude zerstört, 40 Prozent waren beschädigt. Bei der künftigen Arbeitsexpansion sollen vermehrt Frauen eingestellt werden. Die Fertigung werde entsprechend eingerichtet.
Das Schreiben schließt mit dem Verweis auf gute Auftragsaussichten, weil die Carlshütte beabsichtigt, die gesamte Betonfertigung sukzessive auf die neue Severin Ahlmann-Betonindustrie zu übertragen.
Firmensitz Rendsburg – Produktionsstätten in Büdelsdorf
Der erste Firmensitz des Unternehmens ist nicht Büdelsdorf, sondern Rendsburg. Die Adresse ist Holsteiner Straße 24. Hier ist auch der Kindergarten der Carlshütte untergebracht. Severin Ahlmann sagt später gern: „ACO wurde in einem Kindergarten an einer Eiderschleuße gegründet.“ Mit der Adresse – in gewisser Entfernung zur Carlshütte – wird der Charakter einer eigenständigen Gründung unterstrichen. Es handelt sich um eine strategische Entscheidung gegenüber den Behörden.
Die Fertigungsstätten aber befinden sich am Hüttenweg in Büdelsdorf auf dem Gelände der Carlshütte. Das Areal samt Gebäude überlässt Käte Ahlmann der SAB in Pacht.
Der erste Firmensitz in der Holsteiner Straße 24 in Rendsburg. Gesa Meyer, die Tochter des ersten Geschäftsführers Paul Meyer, gehört damals zu den Kindergartenkindern und erinnert sich: "Das Arbeitszimmer unseres Vaters war im Erdgeschoss, links vom Haupteingang, gleich dahinter das Arbeitszimmer von Josef-Severin Ahlmann mit einem wunderbaren weich gepolsterten, taubenblauen Teppichboden."
Belegschaft und Produkte
Die Carlshütte und die SAB sind eng verbunden. Friedrich Sensen, der Stellvertreter Käte Ahlmanns in der Carlshütte, empfiehlt seinen Schwager Paul Meyer als Prokuristen und faktischen Geschäftsführer für die SAB. Meyer wird in den Anfangsjahren für das Unternehmen an der Seite Severin Ahlmanns bestimmend. Er ist maßgeblich am Erfolg der SAB beteiligt.
Zum Zeitpunkt der Firmenanmeldung zählt die SAB nur elf Mitarbeiter. Bald steigt die Mitarbeiterzahl auf 100. Von Beginn an beschäftigt Severin Ahlmann Flüchtlinge und Vertriebene aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten und der Sowjetischen Besatzungszone. Sie werden zu einem Erfolgsfaktor des jungen Betriebs.
Die Lagerhalle (Halle IV) der SAB. Rechts sind Betondachpfannen zu sehen. Für die britische Rhine-Army und andere englische Dienststellen werden von der Carlshütte 1945/46 42.000 Öfen, 40.000 Canada-Öfen, 40.000 Herde, 100 Großherde, 3.500 Badewannen, 10.000 Radiatoren, 5.000 Waschkessel und auch 50.000 Aluminium-Dachpfannen hergestellt. Für Dachpfannen wird auch Beton verwendet. Diese Produktion übernimmt die SAB in großem Stil. Betondachpfannen sind ein wichtiges Produkt der SAB. Gerd Ostryga, der auf der Carlshütte am 17. November 1946 beginnt und kurz darauf in die neue Severin Ahlmann-Betonindustrie (SAB, später ACO) hinüberwechselt, berichtet in seinen Erinnerungen davon, dass zu seinen ersten Aufgaben das Formen von Betondachsteinen gehört.
Das erste Logo der SAB (später ACO)
Das erste Logo der neu gegründeten Severin Ahlmann-Betonindustrie besteht aus einem Wappen mit stilisiertem Ahlmann-Schriftzug. Das Wappen stammt ursprünglich vom Bankhaus Ahlmann in Kiel, womit Severin Ahlmann auf die Familientradition rekurriert. Das Logo steht später Pate für Logos weiterer Ahlmann-Unternehmungen.
Arbeit unter erschwerten Bedingungen
Die Produktionsgenehmigung für die SAB kommt erst im März 1947. Bis dahin gilt die auf die Carlshütte ausgestellte Erlaubnis.
Die Produktion ist in der Nachkriegszeit keineswegs einfach. Es herrscht überall Mangel. Das gilt für Lebensmittel und Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs genauso wie für Rohstoffe und Energie. Teile der Infrastruktur sind immer noch nicht instandgesetzt. Nahezu alle Ressourcen sind behördlich reglementiert.
Ende März 1947 teilt die Stadt Rendsburg der SAB eine bestimmte Menge elektrischen Strom zu: 15.000 kWh im Monat.
Für die fernmündliche Kommunikation bedarf es einer Genehmigung. Mitte Mai 1947 teilt das Rendsburger Postamt Severin Ahlmann mit, dass seinem Antrag auf „Zulassung zum uneingeschränkten Fernsprechverkehr innerhalb der britischen Zone“ stattgegeben wird. Hierauf hat er längere Zeit warten müssen. Sechs Monate zuvor war der Antrag gestellt worden. Eine vorhandene Rufnummer – die 2555 – kann Severin Ahlmann behalten. Zudem erhält er die Möglichkeit, unter Vorwahl einer bestimmten Kennziffer den Vorrang eines Gesprächs anmelden.
Die Gründung von Ahlmann & Co. in Andernach
Am 1. November 1948 wird im rheinland-pfälzischen Andernach die Firma Ahlmann & Co. gegründet. Auch mit dieser Gründung wird – wie zwei Jahre zuvor bei der Severin Ahlmann-Betonindustrie – das Ziel verfolgt, die Familie und ihre unternehmerischen Aktivitäten angesichts der ungewissen politischen und wirtschaftlichen Zukunft abzusichern. Andernach liegt in der französischen Besatzungszone. Man hofft, dass hier Demontage- und Enteignungspläne weniger intensiv oder gar nicht verfolgt werden. Zudem ist Käte Ahlmann, die aus dem Rheinland stammt, der Region eng verbunden.
Ein weiterer Grund für die Familie Ahlmann, sich abzusichern, ist der beginnende „Kalte Krieg“. Die Blockade Berlins durch die Sowjetunion schürt die Angst vor einer Eskalation. Das weiter von der Ostzonengrenze entfernte und vor allem jenseits des Rheins liegende Andernach erscheint als ein „sicheres Ausweichquartier“, falls "der Russe" bis zum Rhein vorstößt.
Rein wirtschaftliche Beweggründe spielen auch eine Rolle. In Andernach sollen eine Eisengießerei und ein Emaillierwerk errichtet werden. Die Produktionspalette entspricht der der Carlshütte: Wannen, Waschanlagen aus Gusseisen und andere Sanitärgusserzeugnisse. Mit dem neuen Werk geht es um eine Erweiterung der Carlshütte, die die französische und amerikanische Zone mit diesen Produkten versorgen soll.
Anfang Februar wird das Vorhaben bewilligt. Ende Mai 1949 beginnen die Baumaßnahmen, die dann zügig vorangehen. In den folgenden Jahren kommt es zu einem personellen Austausch zwischen der Severin Ahlmann-Betonindustrie (SAB) und der Neugründung im Rheinland. Damit geht ein fruchtbarer Wissenstransfer einher.
Ein weiterer wichtiger Aspekt: Ahlmann & Co. liefert später das Kürzel für den heutigen Namen der Gruppe: ACO. Im Unternehmen bezieht man sich gern auf Thomas Jörgen Ahlmanns Firma Ahlmann & Co. von 1842 in Fredericia, erinnert sich später Josef-Severin Ahlmann.
Die SAB im Jahr 1949
Käte Ahlmann wird im Entnazifizierungsverfahren entlastet, die Konten werden entsperrt, die Carlshütte wird nicht demontiert.
Eine Rückgliederung der Betonproduktion in die Carlshütte ist aber kein Thema. Die SAB bleibt ein eigenständiges Unternehmen, sie hat sich etabliert und ist auf Wachstumskurs. 1949 liegt der Umsatz bei 665.000 DM, das ist mehr als das Vierfache vom Umsatz zwei Jahre zuvor. Die Zahl der Kunden kann im selben Zeitraum verdoppelt werden. 1949 sind es 550.
Severin Ahlmann hat mittlerweile geheiratet. Seine Frau Maria Luise, geborene Guthe, arbeitet im Unternehmen mit. Einen Einblick in die Frühzeit des Unternehmens gibt ein von Severin Ahlmann im Jahr 1949 gefertigtes Fotoalbum.
Hier können Sie das gesamte Fotoalbum durchblättern.
Widmung Severins für seine Mutter Käte Ahlmann. Er schreibt: "Unserer Mutter! 'Wir feiern keine Jubiläen - wir feiern Erfolge!' Diesen Ausspruch wollen auch wir für uns in Anspruch nehmen und können mit Genugtuung feststellen, daß das Fundament für die vor uns liegende Zeit gegossen sein dürfte. In herzlicher Dankbarkeit für die Übertragung der Lernaufgabe. Dein Josef-Severin. 24.12.1949"
ACO ab 1950 – nächste Schritte im ACO-Wiki
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
die ACO-Geschichte endet selbstverständlich nicht im Jahr 1949, sie bleibt spannend bis in die Gegenwart. Das ACO-Geschichtswiki wird in den kommenden Monaten Schritt für Schritt erweitert um mehr Geschichte und Geschichten von und über ACO.
Viel Spaß beim Lesen, Stöbern und Entdecken!
Ihr ACO-Wiki-Team