WorkInProgress:ACO Drain: Die Geburt der Linienentwässerung
Idee und Produkt
Ende der 1960er Jahre bevorzugt die Oberflächenentwässerung noch die traditionelle Art unterirdischer Kanalführung mit punktuellen Einzelabläufen. Da hierbei das Wasser immer zu den tiefsten Punkten gelangen muss, braucht es auf der technischen Seite Kreuzgefälle über weiten Strecken. „Das war unbequem und unpraktisch“, wird noch heute bei ACO geurteilt. Das neue, lineare Konzept mittels langer Rinnen mit Eigengefälle arbeitet mit weniger aufwendigen Gefällekonstrukten. ACO adaptiert diese Idee und geht sie wesentlich innovativer an als die Vertreter der Branche, die ebenfalls bereits damit experimentieren. Tatsächlich wird nach Einführung schnell erkannt, dass die ACO DRAIN-Rinnen besser sind als die „herkömmlichen Rinnen, die am Bau eingeschalt werden“. Damit ist die wesentliche Neuerung schon implizit genannt: Die ACO-Rinnen benötigen keine Schalung vor Ort. Zudem ist sie ein Leichtgewicht. Beides zusammen spart Kosten am Bau. „Der Vorteil unserer Rinne liegt in der speziellen Konstruktion (…) sowie in dem geringen Transportgewicht. Gegenüber den herkömmlichen Rinnen, die am Bau eingeschalt werden, ist unsere Rinne billiger, da (…) die Rinne eine verlorene Schalung darstellt.“
Die 1969 eingeführten Rinnen bestehen im Prinzip aus drei Komponenten: aus Röhrensegmenten eines bestimmten Bogenmaßes, Seitenwänden sowie einer Gitterrostabdeckung. Mit intergriertem Gefälle und einem Ablaufanschluss werden sie in den Boden eingelassen und anbetoniert. Etwas technischer gesprochen handelt es sich um nicht-vollgeschalte Röhren, d. h. mit einer Öffnung in Längsrichtung, welche mit Metallgittern abgedeckt werden, was die Begeh- und Befahrbarkeit gewährleistet.
Von Beginn an werden zwei grundsätzliche Formate dieser Rinnen als ACO DRAIN hergestellt: Die sogenannte „Garagenvorlegerinne“ in der Standardlänge von 2,40 m und die potenzielle „Endlosrinne“, die am Bau aus Normelementen in die benötigten Längen aneinandergefügt wird.
Der erste Werkstoff: Faserzement
Der hauptsächliche Werkstoff in ACO DRAINs erstem Marktjahr ist Faserzement, auch Asbestzement oder stellenweise "Ethernit" (ein Markenname) genannt. Zum Herstellungsprozess der Rinnen bei ACO gehören anfangs zwei grundsätzliche Schritte: Zuschnitt und Verklebung. Die Rohmaterialien sind „Rohre und Platten aus Asbestzement“ und werden direkt von einem Hersteller in Bremen zugliefert. Im Zuschnitt bei ACO werden dann die Asbest-Rohre von 1,20 Meter Länge mit einer eigenen Fräse zerteilt. Es entstehen sogenannte Halbschalen, die im nächsten Schritten längsseitig mit den zugeschnittenen Platten verklebt sowie auf die gleiche Weise an der Öffnungsseite mit den Metallrosten versehen werden. In der Fertigungshalle muss die Temperatur einigermaßen konstant sein, um die Abbindezeiten der Klebstoffe möglichst kurz und damit wirtschaftlich zu halten. Alles in allem ist die Herstellung der Rinnen in dieser Anfangszeit noch einiges entfernt von einer maschinellen Großserie. Es waren sehr handwerkliche Produkte. „Wir waren vom System her auf der richtigen Spur, aber das Konzept und die Technik waren noch nicht perfekt“, urteilt der ehemalige Vertriebsleiter Arno Ebsen. Tatsächlich zeigen sich nach einigen Monaten der Fertigung Probleme der Konstruktion. Als Achillesferse stellt sich die Verklebung heraus. Zu kleine Klebeflächen auf anfälligem Material lassen die Gitterroste bei Belastung manches Mal einbrechen. Weitere Nachteile bringt der Faserzement als Grundmaterial: Er ist unflexibel bei der Formgebung, im Einsatz zu wenig langzeitbeständig, zu alledem gesundheitsschädlich. Damit ist der Werkstoff noch nicht die optimale Wahl für das innovative Produkt.
Anfängliche Vermarktung und Vertriebserfolg
Adressaten der Entwässerungsrinnen sind prinzipiell der Fachhandel für Baustoffe sowie natürlich Bauherren und -gewerbe jeder Größenordnung. Neben Bauunternehmungen zeigen sich anfänglich aber besonders auch Baubehörden und industriebauplanende Architekten interessiert. Der Fachhandel dagegen führt in Deutschland nicht mehr initiativ neue Artikel ein, sondern lässt sich von der Nachfrage durch Planer und Ausführer leiten. Somit ist plausibel, dass schon 1969 in Richtung aller planenden Stellen besondere Werbebemühungen anlaufen und auch 1970 „die Bedarfsträger und Architekten direkt angesprochen werden“. Dabei ist ACO kreativ und geht sehr strategisch vor: Baubehörden von Bund und Ländern sowie Straßenbauämter werden ebenso mit Prospekten bedacht wie Mineralölkonzerne, die ja Tankstellen errichten, und die Autoindustrie, welche an der Planung von Autowerkstätten beteiligt ist.
Die Marketingstrategie reagiert auf die Verkaufserfahrung der Anfangszeit von ACO DRAIN. Für 1969 und zu Beginn des Jahres 1970 konstatiert man 70 % des Gesamtumsatzes bei den Endlosrinnen – entgegen der ersten Erwartung, den Hauptumsatz in der Gargagenvorlegerinne über den einschlägigen Fachhandel zu machen. Beide Rinnenformen zusammen erzielen in den acht Monaten des Jahres 1969, in denen sie nach Markteinführung am 1. Mai im Verkauf stehen, einen Umsatz von etwa 260.000,- DM. ACO ist mit diesem insgesamt guten Wert einer Marktneuheit zufrieden, plant jedoch für das Folgejahr zurecht Größeres: ACO DRAIN wird mit Beginn des neuen Jahrzehnts enorm Fahrt aufnehmen.
ACO DRAIN: Fertigung und Vertrieb 1970
Anfang 1970 herrscht in Rendsburg großer Optimismus, obwohl der zukünftige Erfolg des Programms ACO DRAIN in dieser Einführungszeit noch nicht voll absehbar ist. Der Anklang der Rinnen auf der Baufachausstellung Constructa im Vorjahr 1969 in Hannover, der bisherige Absatz, die betriebene Marktforschung und die beschrittenen Werbekanäle begründen große Erwartungen. Entsprechend sind bis Februar 1970 erste kleine Alleinvertriebsrechte ins europäische Ausland vergeben, zuerst in die Beneluxstatten sowie in die Schweiz, Verhandlungen laufen in Skandinavien. Andernorts sieht man das Potenzial, gerade in Österreich, wohin doch guter Kontakt durch die Kooperation in der Fenstersparte mit Assmann & Co. besteht. Diesem Partner empfiehlt ACO ebenfalls Anfang 1970 eine intensive Marktforschung bezüglich des Rinnensystems in Österreich – ggf. auch den Einstieg in eine Lizenzproduktion von ACO DRAIN.
Weniger als ein Jahr nach Markteinführung der Rinnen bahnt sich allerdings die Umstellung ihres Fertigungsprozesses an. Sowohl der Werkstoff als auch die Formgebung werden geändert, d. h. optimiert. Zeitgleich kann der erste – und prominente – Großauftrag abgeschlossen werden: die Ausrüstung der Sportbauten für die Olympischen Spiele 1972 in München. Beide Entwicklungen zusammen ermöglichen den Durchbruch von ACO DRAIN.
Umstellung auf den Werkstoff Polymerbeton
Im März 1970 wird die Produktion der Entwässerungsrinnen grundlegend verändert. Der Werkstoff der Anfangszeit, Faser- bzw. Asbestzement, wird durch Polymerbeton ersetzt. Das ist der entscheidende Fortschritt, denn die verbesserten Eigenschaften des neuen Werkstoffs - höhere Stabilitäten und Widerstandsfähigkeiten gegen äußere Einflüsse - überzeugt auch die Handelspartner. Darüber hinaus ist durch die vereinfachte Formgebung des Werkstoffs Polymerbeton eine weitaus größere Artikelvielfalt möglich. Wenn der Bau von Formen und der Guss gelingen, sind alle Variationen denkbar. Die Anfänge gelingen im Frühjahr 1970, im Verlaufe des Jahrzehnts kann die Formgebung dann immer weiter optimiert werden.
Im frühen Stadium der Planung mit Polymerbeton fehlt jedoch eines: die entsprechende Technik. ACO benötigt für die Verarbeitung von Polymerbeton eine spezielle Misch- und Gießmaschine. Eine solche Duroplastanlage kann ACO Anfang März 1970 aus Düsseldorf beziehen. Benannt nach dem Hersteller wird sie intern als Respecta-Maschine bezeichnet. Anfangs arbeitet diese Anlage stationär, nicht viel später konstruiert ACO sie um, so dass eine echte ACO DRAIN-Fertigungsstraße entsteht. Das Gussprinzip wird in der Folge stetig fortentwickelt und verfeinert, ist von seiner Grundidee her jedoch bis heute gleich geblieben.